Die Psychosomatik erkundet Yoga

Bericht vom Psychosomatischen Dienstags-Kolloquiums „Körper – Seele – Geist“ der Psychosomatischen Klinik Freiburg
vom14.11.17 „Yoga meets Neuroscience: Warum und wie yogische Praxis das Gehirn verändert“ von Joachim Bauer Dr. Prof. em. Freiburg/Berlin

Joachim Bauer füllt das Audimax bis über seine Kapazität hinaus. Er berichtet zunächst von seinem eigenen Zugang zu Yoga, der ihm von seiner Frau und seiner Tochter nahegebracht wurde. Wie aus dieser positiven Erfahrung sein Forscherwille geweckt worden ist und wie er sich auf die Suche nach empirischen Beweisen für diese positive Erfahrung gemacht hat.

Was ist Yoga?

Er stellt uns kurz die Element des Yoga dar – Haltungen, Atemübungen, Konzentrations- und Meditationstechniken und Mantras. Diese Zusammenstellung begünstigt die Zentrierung des „Selbst“ im Körper.

Was macht Yoga im Gehirn?

Die neurologischen Korrelate des „Selbst“ im Stirnhirn sind verbunden mit Bereichen, in denen der Körper kartiert ist (Insula) und weiter mit den vegetativen Bereichen, die für Stress (Hypothalamus) und grundlegende Lebensfunktionen (Hirnstamm) zuständig sind.
Als Beleg führt Herr Bauer dann mehrere Studien an, die beweisen, dass Yoga Praxis die Masse der „grauen Substanz“ (das sind die Zellkörper) in diesen Bereichen vermehrt und dass sich die Schmerzwahrnehmung verringert, bzw. die Kontrolle darüber vermehrt wird.

Haltung und Lebenshaltung

Weiter geht dir Reise zum „inneren Arzt“. Hierzu dient die Studie von Cole et al, die untersucht hat, wie die Haltung zum Leben – die Philosophie gewissermaßen – auf den biologischen Menschen wirkt. Untersucht wurden „hedonistische Menschen“, die eine Laissez-faire Haltung pflegen und schnellen Lustgewinn anstreben und „eudaimonische Menschen“, die nach eine sinngeleiteten Leben streben, achtsam und fürsorglich mit sich und ihren Mitmenschen umgehen. Die Ergebnisse der Studie sind erstaunlich. Es finden sich „epigenetische Effekte“, also solche, die auf die Genaktivität einwirken. Aber auch ein verbessertes Blutbild und andere positive Auswirkungen.

Nicht nur Yoga wirkt

Dann gibt es eine Untersuchung über die „Macht der Worte“. Sie zeigt, dass die Zuschreibungen, die uns gegenüber ausgesprochen werden, deutlich verschiedene Reaktionen im „Selbst-System“ des Gehirns auslösen, je nachdem ob wir etwas Nettes oder etwas weniger Nettes hören.
Es gibt auch eine große Metastudie (eine Studie, die viele andere Studien zusammenfasst), die die positiven Effekte von Yoga deutlich beweisen kann. Es gibt kaum ein Körpersystem, das nicht positiv beeinflusst wurde: Hormonsystem, Vegetatives Nervensystem, Herz-Kreislauf-System, Antioxidantien, Entzündungsprozesse, Demenz Prophylaxe und bei spezifischen Krankheiten wie Fatigue (Erschöpfung) nach Krebstherapie, Herzinsuffizienz, Risikoschwangerschaft, Adipositas bis hin zu den psychischen Erkrankungen sowohl im neurotischen als auch im psychotischen Formenkreis.

Herr Bauer ist einer der fleißigsten Sammler solcher und ähnlicher Studien, die starke Hinweise darauf liefern, dass der beseelte Körper, der Leib, sehr eng mit unseren Kognitionen und unseren sozialen Umgebung verbunden ist. Eines wirkt ins andere hinein – eben bio-psycho-sozial. Die Körperpsychotherapie, die schon lange so ein ganzheitliches Menschenbild pflegt, ist Herrn Bauer zutiefst dankbar für seine hervorragende Arbeit.

Die Psychosomatik entdeckt die Synchronie

Spiegelung als perfekte Synchronie

Bericht vom Psychosomatischen Dienstags-Kolloquiums „Körper – Seele – Geist“ der Psychosomatischen Klinik Freiburg vom 07.11.17
Verkörperte Kommunikation: Nonverbale Synchronie in sozialer Interaktion
von Wolfgang Tschacher (Univ.-Prof. Dr. phil., Universitätsklinik für Psychiatrie, Bern)

Herr Tschacher leitete seinen Vortrag mit neuen Grundsatzfragen der Psychologie ein – der Frage nach der Reichweite der Computermetapher und der Frage nach dem Thema „Embodiment“ – Verkörperung.

Was bedeutet Verkörperung?

Seine Herangehensweise an die Fragestellung der Verkörperung stellt er als systemisch, bzw. synergistisch vor. Das bedeutet, einen Blickwinkel einzunehmen, der Strukturen darauf untersucht, wie sie durch Selbstorganisation entstanden sein können. Selbstorganisation sieht er dabei als eine spontane Vereinfachung von komplexen, bzw. chaotischen Dynamiken.
Systemisch bedeutet auch, dass die übliche, lineare Kausalität zugunsten einer zirkulären Kausalität aufgegeben wird. So kommt er zu einem ersten Zirkel, der Geist und Körper verbindet – also der Geist wirkt auf den Körper (traurige Stimmung > gebeugte Haltung); und genauso wirkt der Körper auf den Geist (gebeugte Haltung > traurige Stimmung).
Ein zweiter Kausalzirkel ergibt sich aus der sozialen Umgebung, die auf Körper und Geist rückwirkt, die wiederum in die soziale Umgebung rückwirken können.

Die Körpersemantik

Auf den Menschen angewendet bedeutet das, dass der Körperraum emotional, mental und sozial „besetzt“ ist – das psychische Erfahrungen in mehreren Ebenen verkörpert sind, und dass der Körper auch kognitive Bedeutungen trägt – z.B. im Koordinatensystem von Oben (auf) oder Unten (down); Links (linkisch) und Recht (richtig); Vorne (Zukunft) und Hinten (Vergangenheit).
Solche Befunde werden immer häufiger erbracht. Aber nicht nur, dass im Einzelmenschen Körper/Geist/Umfeld in beide Richtungen miteinander verschränkt sind, diese Verschränkung findet auch zwischenmenschlich statt und hat dann die Form von Synchronisierung (soziale Synchronie). Und genau zu diesem Thema forscht Herr Tschacher in Bern.

Soziale Verkörperung

Er stellt seine Forschungsinstrumente dazu vor und erläutert die Befunde.
1. Synchronie ist vorhanden
2. Sie ist abhängig von der gestellten Aufgabe – Wettbewerb, Kooperation, Spaß
3. Sie ist abhängig von der Stimmung
Weiter: wird stattfindende Synchronie positiv empfunden und die Psyche kann als Spiegel des Körpers betrachtet werden; und Synchronie, die ohne Worte stattfindet ist für zwischenmenschliche Begegnungen charakteristisch, die Stimmung darin wird durch die gemeinsamen Bewegungen verkörpert.

Die Rolle der Zeit

Die Zeiterfahrung in einer Synchronie Situation verändert sich. So ist das empfundene „Jetzt“ in der Synchronie etwas sechs Sekunden lang, hingegen bei einem Menschen der alleine ist, nur drei Sekunden.
In Bern wird auch die Relevanz der Synchronie für die Psychotherapie erforscht und die Ergebnisse zeigen, dass sie sehr bedeutend für den Therapieerfolg ist. Wenn eine gute therapeutische Allianz vorliegt findet Synchronie statt und die Erfolgsaussichten steigen an. Das geschieht nicht, wenn sie vermindert ist.
Es spielt sogar eine Rolle, welche Körperteile in Synchronie gehen. Eine hohe Synchronie der Kopfbewegungen spricht für gute Erfolgsaussichten der gesamten Therapie. Synchronie des Torsos und der Beine für einen gutes Ergebnis einer Stunde.

Synchronie und Bindung

Menschen mit vermeidendem Bindungsmuster und solche, die zwischenmenschlich eher kalt sind, können am wenigsten von Synchronie profitieren.
Auch in der Psychotherapie der Psychosen gibt es Forschung zu Synchronie und es gibt auch noch einen kurzen Ausflug in die Kommunikationspsychologie.
Synchronie findet weitgehend unbewusst statt. Beim Versuch, sie absichtlich zu produzieren entsteht die Gefahr, dass das Gegenüber sich nachgeäfft fühlt. Eine wache, präsente Haltung des/der Therapeut*in ist der beste Garant für gelingende Synchronie.
Zum Abschluss stellt uns Herr Tschacher noch seine Gedanken über die philosophischen Konsequenzen seiner Forschung vor – er plädiert für eine „Duale Aspekt Theorie“ zur Lösung des Leib-Seele Problems – auch Kant-Fans werden darüber erfreut sein.

Als Körperpsychotherapeut bin ich sehr darüber erfreut, dass viele Aspekte, die in der KPT seit langem gang und gäbe sind, nun auch wissenschaftliche Weihen bekommen.