Klima und Psyche III

Klima und Psyche

In meinem letzten Beitrag zum Thema, habe ich zwei Aspekte der Abwehr nicht behandelt. Sie stammen von Irvin Yalom, dem existenziellen Psychotherapeuten und ich denke, auch sie können hilfreich dafür sein, sich in dieser Zeit besser zu verstehen.

Was so bedrohlich wie der Tod erscheinen kann

Der sog. Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung, die am Horizont aufgetaucht ist, bzw. mit jeder Hitzewelle näher kommt.
Dieser aktuelle Prozess der Klimaveränderung stellt Gesellschaften und Menschen vor große Herausforderungen. Noch lässt sich nicht sagen, wo, wie, wie schnell und wie ausgeprägt sich die Veränderungen auswirken werden. Recht gewiss erscheint aber, dass Veränderungen auf uns zu kommen.
Die Diskussion über den Klimawandel zieht sich durch die gesamte Gesellschaft, sie findet in Firmen statt, in Familien und in Beziehungen. Mitunter sorgt das Thema für erbitterten Streit, führt teilweise zu Entzweiung oder zu unterirdisch schlechter Stimmung.
Meine These ist, dass die Situation so furchteinflößend ist, dass viele Menschen deshalb diese Realität abwehren.

Abwehr der Todesangst bei Kindern

Yalom beschreibt, wie Kinder, denen angstvoll ihre Sterblichkeit bewusst wird, ihre Angst mit einer von zwei typischen Fantasien bezwingen. Die erste Fantasie besteht darin, sich vorzustellen, ein ganz besonderer Mensch zu sein. „Ja es gibt den Tod (für alle anderen) aber an mir wird er vorübergehen.“
Das andere Muster besteht in der Fantasie eines idealen Retters. „Ja, irgendwann wird der Tod auch an meine Tür klopfen, aber ganz sicher kommt dann jemand, der mich retten wird.“
Es mag beim Lesen lächerlich erscheinen, dass solche Wunschträume tatsächlich die Todesangst besiegen können, aber offenbar ist es so. Und tatsächlich beschreibt Yalom, dass noch viele erwachsene Menschen auf diese Art mit ihrer Todesangst fertig werden – auch wenn sie das natürlich bestreiten würden.

Verhaltensweisen von Erwachsenen mit kindlichen Abwehrmustern

Die „besonderen Menschen“ pflegen gerne einen riskanten Lebensstil. Extremsport, Extrem-Arbeit, Extrem-Einsätze wofür auch immer.
Die Art des „besonderen Menschen“ mit dem Klimawandel umzugehen, ist der Gedanke, dass es ihn/sie nicht treffen wird und also gar nichts angeht. Das führt zu einem passiven Verhalten, das keinerlei Bereitschaft zeigt, sich den veränderten Umständen anzupassen. Im Zweifel werden solche Menschen ärgerlich werden, wenn sie mit den Tatsachen konfrontiert werden – eine Reaktion, die in allen Medien immer wieder zu sehen und zu lesen ist.

Die zweite Spielart mit dieser Einstellung wäre der Eindruck, dass die paar Grad mehr an Temperatur ihnen nichts anhaben können und dass diese ganzen klimabesorgten Leute sich nicht so anstellen sollen.

Die „besonders beschützen Menschen“ schließen sich gerne größeren Gruppen, gerne auch kirchlichen oder spirituellen Vereinigungen an, und leben dann nach den Verfügungen des geistigen Oberhaupts.
Die Art der „beschützen Menschen“ mit dem Klimawandel umzugehen, ist die Suche nach einem/einer Beschützer*in. In diese Rolle kann jeder Klima-Guru kommen, oder auch Klima- und Umweltgruppen, die sich gegen die Veränderungen zur Wehr setzen. Natürlich kommen auch Gurus und Gruppen in Frage, die den Klimawandel oder dessen menschengemachte Ursache verleugnen. Im Hintergrund spielt fast immer eine Art magisches Bewusstsein eine Rolle. Das funktioniert so, dass, wenn ich nicht daran denke und immer alles richtig mache, mir schon nichts passieren wird.

Irvin Yalom weist auf die Unreife dieser Fantasien hin und darauf, dass diese Abwehrmanöver leicht zerbrechen können – spätestens dann, wenn sie mit einer potenziell tödlichen Situation konfrontiert werden. Was dann geschehen kann, ist ein Absturz in tiefe Depression oder auch frei flotierende Angst, die nicht mehr zu beherrschen ist.

Was wäre zu tun?

Es gibt natürlich weder für die Klimaproblematik, noch für die Diskussionsproblematik eine Patentlösung. Die psychischen Perspektiven dieses und der letzten beiden Artikel können nur erklären helfen, wie die verschiedenen Positionen zustande kommen – in der Hoffnung, dass so das gegenseitige Verständnis begünstigt wird.
Als Grundlage für Diskussionen müsste zunächst ein Einverständnis über den Sachstand gefunden werden. Aber häufig beginnt es bereits hier, dass dieses Einverständnis nicht gegeben ist.

Mehr zum Thema gibt es hier und hier und hier

Die Psychosomatik erforscht das Zusammenspiel von Genen und Umwelt

Gene oder Umwelt?

Bericht vom Psychosomatischen Dienstags-Kolloquium „Körper – Seele – Geist“ der Psychosomatischen Klinik Freiburg vom 08.05.18 Von Dr. med. Derek Spieler:            „Nature or Nurture – Ausgewählte Aspekte zur Genetik und Epigenetik seelischer Erkrankungen“

Einstimmung

Herr Spieler beginnt seinen Vortrag mit einem Bild von René Margritte, das den Betrachter verwirrt, weil nicht zu bestimmen ist, ob es darauf Tag oder Nacht ist. Ähnlich, so Herr Spieler, geht es der Medizin mit der Frage nach genetischen oder umweltbedingten Krankheitsgeschichten. Bereits der Titel des Vortrags sei eine Provokation, weil das „Oder“ ein „entweder – oder“ nahelegt, das keinesfalls gegeben sei. Immer gibt es eine genetische Disposition, die immer in einer Interaktion, mit einer ebenfalls immer gegenwärtigen Umwelt, steht. Als Metapher bietet er den Segen von Thetis für ihren Sohn Achilles an. Sie hält ihn in den Fluss Styx, um ihn unverwundbar zu machen, aber sie muss ihn dabei an der Ferse festhalten, so dass er an dieser Stelle verwundbar bleibt. Eine seriöse Schätzung lautet im Moment, dass zu ca. 20% Gene am Krankheitsgeschehen beteiligt sind, und der Rest durch die Lebensweise bestimmt wird.

Genetische Einflüsse

Seit das menschliche Genom im Jahr 2001 vollständig sequenziert wurde, hat die Erforschung genetischer Krankheitsursachen einen gewaltigen Aufschwung erfahren. In breit angelegten Studien kam heraus, dass etwa jedes tausendste Basenpaar (von 3,3 Milliarden) Variationen aufwies. Nun konnte erforscht werden, welche Variationen mit bestimmten Erkrankungen assoziiert sind. Dazu wurden große Gruppen von Betroffenen (am Beispiel von Depressionen und Schizophrenie) mit Gruppen unauffälliger Menschen verglichen und auf diese Art festgestellt, an welchen Stellen die Erbsubstanz verändert war. Für die Depressionen und die Schizophrenie zeigte sich, dass es 44 bzw. 108 auffällige Veränderungen im Genom gab.
Mit diesem Vorwissen wurde es nun möglich, die Betroffenen auch mit bildgebenden Verfahren zu untersuchen. So konnte erforscht werden, wie die veränderten Gene sich auf Bau und Funktion des Nervensystems auswirken. Eine spezielle Veränderung lässt sich recht eindeutig mit dem „Anterioren Cingulären Cortex“ dem ACC in Verbindung bringen, eine Gehirnstruktur, die an emotionalen Bewertungen und Gedächtnisfunktionen beteiligt ist.

Umwelteinflüsse

Es ist bekannt, dass Menschen, die in Städten wohnen, ein höheres Risiko tragen, an einer Schizophrenie zu erkranken, als Menschen, die in ländlichen Regionen leben. Dieses Risiko steigt mit der Größe der Stadt und mit der Anzahl von Jahren, die man insbesondere als Kind in der Stadt verbracht hat. Auch hier konnte mit bildgebenden Verfahren aufgeklärt werden, welche Auswirkungen die Stressoren einer Großstadt auf Funktion und Bau des Nervensystems hat. Zum Einen verändert sich die Funktion des Angstzentrums, der Amygdala und zum Anderen konnten auch Veränderungen am ACC festgestellt werden. Hier treffen sich also die Auswirkungen angeborener und erworbener Merkmale.

Gene und Trauma

Eine weitere Gehirnstruktur, der Hippocampus, der eine zentrale Rolle für das Gedächtnis und die Alzheimer Demenz spielt, konnte mit diesen neuen Methoden ebenfalls erforscht werden. So gibt es Genvarianten, die ein großes Volumen für diese Struktur begünstigen und die Gefahr von Alzheimer mindern. Wenn Menschen nun traumatische Erfahrungen machen, kann im ungünstigsten Fall das Volumen des Hippocampus abnehmen. Je nach Vorgeschichte können manche Menschen aber auch an diesen Erfahrungen wachsen, bzw. wächst das Volumen des Hippocampus sogar an.

Epigenetik

Diese noch recht junge Disziplin handelt von der Regulation der Gentätigkeit abhängig von den Umwelterfahrungen. Eine Art dieser Regulation besteht in der sog. Methylierung des Cytosins. Eine solche Methylierung dämpft die Aktivität des betroffenen Basenpaars, was für sich kein Problem darstellt. Auch hier war es mit Hilfe der Sequenzierung möglich, die Methylierung in Abhängigkeit von den Lebensumständen zu erfassen. Herr Spieler nennt als Beispiel die Alkoholabhängigkeit, von der inzwischen bekannt ist, dass sie ein typisches Methylierungsmuster erzeugt, das nun wiederum zur sicheren Diagnose verwendet werden kann. Ein weiterer Forschungssektor in diesem Bereich ist die Auswirkung von Depressionen der Mutter auf das Baby. Auch hier konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang aufgedeckt werden.

Fazit

Wie auch immer unsere genetische Ausstattung aussieht, wir können nichts an ihr ändern. Wir können aber darauf achten, wie wir unser Leben führen und Herr Spieler ist der Ansicht, dass die Lebensführung die wichtigste Rolle für die Krankheitsvorsorge darstellt.

Ich war sehr zufrieden mit diesem klar gehaltenen Vortrag, der mit wenigen Folien auskam.