In meinem letzten Beitrag zum Thema, habe ich zwei Aspekte der Abwehr nicht behandelt. Sie stammen von Irvin Yalom, dem existenziellen Psychotherapeuten und ich denke, auch sie können hilfreich dafür sein, sich in dieser Zeit besser zu verstehen.
Was so bedrohlich wie der Tod erscheinen kann
Der sog. Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung, die am Horizont aufgetaucht ist, bzw. mit jeder Hitzewelle näher kommt.
Dieser aktuelle Prozess der Klimaveränderung stellt Gesellschaften und Menschen vor große Herausforderungen. Noch lässt sich nicht sagen, wo, wie, wie schnell und wie ausgeprägt sich die Veränderungen auswirken werden. Recht gewiss erscheint aber, dass Veränderungen auf uns zu kommen.
Die Diskussion über den Klimawandel zieht sich durch die gesamte Gesellschaft, sie findet in Firmen statt, in Familien und in Beziehungen. Mitunter sorgt das Thema für erbitterten Streit, führt teilweise zu Entzweiung oder zu unterirdisch schlechter Stimmung.
Meine These ist, dass die Situation so furchteinflößend ist, dass viele Menschen deshalb diese Realität abwehren.
Abwehr der Todesangst bei Kindern
Yalom beschreibt, wie Kinder, denen angstvoll ihre Sterblichkeit bewusst wird, ihre Angst mit einer von zwei typischen Fantasien bezwingen. Die erste Fantasie besteht darin, sich vorzustellen, ein ganz besonderer Mensch zu sein. „Ja es gibt den Tod (für alle anderen) aber an mir wird er vorübergehen.“
Das andere Muster besteht in der Fantasie eines idealen Retters. „Ja, irgendwann wird der Tod auch an meine Tür klopfen, aber ganz sicher kommt dann jemand, der mich retten wird.“
Es mag beim Lesen lächerlich erscheinen, dass solche Wunschträume tatsächlich die Todesangst besiegen können, aber offenbar ist es so. Und tatsächlich beschreibt Yalom, dass noch viele erwachsene Menschen auf diese Art mit ihrer Todesangst fertig werden – auch wenn sie das natürlich bestreiten würden.
Verhaltensweisen von Erwachsenen mit kindlichen Abwehrmustern
Die „besonderen Menschen“ pflegen gerne einen riskanten Lebensstil. Extremsport, Extrem-Arbeit, Extrem-Einsätze wofür auch immer.
Die Art des „besonderen Menschen“ mit dem Klimawandel umzugehen, ist der Gedanke, dass es ihn/sie nicht treffen wird und also gar nichts angeht. Das führt zu einem passiven Verhalten, das keinerlei Bereitschaft zeigt, sich den veränderten Umständen anzupassen. Im Zweifel werden solche Menschen ärgerlich werden, wenn sie mit den Tatsachen konfrontiert werden – eine Reaktion, die in allen Medien immer wieder zu sehen und zu lesen ist.
Die zweite Spielart mit dieser Einstellung wäre der Eindruck, dass die paar Grad mehr an Temperatur ihnen nichts anhaben können und dass diese ganzen klimabesorgten Leute sich nicht so anstellen sollen.
Die „besonders beschützen Menschen“ schließen sich gerne größeren Gruppen, gerne auch kirchlichen oder spirituellen Vereinigungen an, und leben dann nach den Verfügungen des geistigen Oberhaupts.
Die Art der „beschützen Menschen“ mit dem Klimawandel umzugehen, ist die Suche nach einem/einer Beschützer*in. In diese Rolle kann jeder Klima-Guru kommen, oder auch Klima- und Umweltgruppen, die sich gegen die Veränderungen zur Wehr setzen. Natürlich kommen auch Gurus und Gruppen in Frage, die den Klimawandel oder dessen menschengemachte Ursache verleugnen. Im Hintergrund spielt fast immer eine Art magisches Bewusstsein eine Rolle. Das funktioniert so, dass, wenn ich nicht daran denke und immer alles richtig mache, mir schon nichts passieren wird.
Irvin Yalom weist auf die Unreife dieser Fantasien hin und darauf, dass diese Abwehrmanöver leicht zerbrechen können – spätestens dann, wenn sie mit einer potenziell tödlichen Situation konfrontiert werden. Was dann geschehen kann, ist ein Absturz in tiefe Depression oder auch frei flotierende Angst, die nicht mehr zu beherrschen ist.
Was wäre zu tun?
Es gibt natürlich weder für die Klimaproblematik, noch für die Diskussionsproblematik eine Patentlösung. Die psychischen Perspektiven dieses und der letzten beiden Artikel können nur erklären helfen, wie die verschiedenen Positionen zustande kommen – in der Hoffnung, dass so das gegenseitige Verständnis begünstigt wird.
Als Grundlage für Diskussionen müsste zunächst ein Einverständnis über den Sachstand gefunden werden. Aber häufig beginnt es bereits hier, dass dieses Einverständnis nicht gegeben ist.