Ein Körper in der Psychotherapie?

Körperorientierte Psychotherapie kann auf eine recht lange Geschichte zurückblicken. In ihrer modernen Form schlug sie als „Seitentrieb“ der Psychoanalyse aus. Dies geschah bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Von da an verzweigte sie sich dann rasch in verschiedene Seitenäste, die großteils noch heute Bestand haben.

Die wilden Anfangsjahre

In den wilden Achtundsechzigern erfreuten sich die energetischen Übungen und die Betonung des emotionalen Ausdrucks besonders großer Beliebtheit. Dies richtete sich auch und gerade gegen die als patriarchal und autoritär angesehene Psychoanalyse.Danach beruhigte sich die „Körperszene“ etwas und etliche einzelne Schulen begannen sich als „quasi hermetische Verfahren“ gegeneinander abzugrenzen. Ein Umstand, der die ohnehin geringe Anerkennung durch den psychotherapeutischen Mainstream noch vertiefte.Die Hypothesen und Modelle der meisten Schulen beriefen sich auf klinische Erfahrungen, Einzelfallstudien und tiefenpsychologische Theorien. Diese wurden oft angereichert um energetische Vorstellungen aus der indischen Tradition. Das lag an der Energie Metapher, die mit der KPT kompatibel erschienen. Leider klang (und klingt) das einfach wenig seriös.

Neue Entwicklungen

Erst als gegen Ende des letzten Jahrhunderts aus den Einsichten, die aus der Baby- und Kleinkindforschung und der Bindungstheorie gewonnen wurden, als auch verschiedene neue neurologische Kenntnisse erreicht wurden, gewann die KPT wieder etwas mehr Renommee. Auch die verschiedenen Schulen hatten sich wieder einander zugewandt und tauschten sich mehr über ihre Erkenntnisse, Techniken und Prinzipien aus. In Deutschland gründete sich die „Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie“.

Ohne Körper keine Psyche


Was hat es nun auf sich mit dem Körper in der Psychotherapie? Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass wir so etwas wie psychisches Erleben ohne einen Körper gar nicht haben könnten. Die körperliche Existenz und deren reale biologischen Prozesse stellen die Grundlage von allen höheren Funktionen der Psyche dar. Das gilt gleichermaßen für die sog. normalen/gesunden bist zu den sog. kranken Erscheinungen.
Der ganze Prozess der psychischen Funktionen, einschließlich der „bewusst“ genannten, ist immer ein Dreiklang von körperlicher Organisation, emotionaler Bewertung und kognitiver Benennung. Man könnte auch sagen, dass, wenn zwischen diesen drei Aspekten ein Missklang entsteht, so etwas wie ein Symptom beobachtbar ist, bzw. erlebt wird.
Die Geschichte dieser psychischen Organisation ist die Biografie eines Menschen und zwar ab dem Beginn der körperlichen Existenz. Bereits im Mutterleib und noch mehr in der vorsprachlichen Zeit der Bindungsprägung sprießen die zarten Wurzeln dessen, was wir später psychisches Erleben nennen, die Grundlagen unseres Selbst- und Welterlebens. Das ist die Geschichte, die wir uns und anderen darüber erzählen, wer und wie wir sind. Auf diesen Grundlagen verläuft der Weg, der weiteren Entwicklungs- und Reifungsschritte bis zum Erwachsen-Sein.

Besondere Qualität der KPT


Es hat sich herausgestellt, dass zahlreiche Hypothesen der „älteren“ KPT zutreffend sind und sich heute empirisch gut belegen lassen.
Die ersten Stufen der psychischen Entwicklung sind vorsprachlich, aber in Handlungs- und Beziehungsroutinen durchaus noch erreichbar. Genau hier liegen die besonderen Möglichkeiten von körperorientierter Psychotherapie. Mit ihnen kann das Erleben und die Erfahrungen dieser Zeit erreicht werden und in der therapeutischen Beziehung, können neue Lernerfahrungen entstehen.
Dadurch wird die KPT nicht zur „Wundermethode“. Was sie zur Verfügung stellen kann, ist ein tiefes Verständnis der vorsprachlichen Entwicklungen. Diese sind häufig ein Anlass für spätere Störungen. Allerdings haben die Betroffenen bereits ihren Umgang damit gefunden und das alleinige Wissen um z.B. einen beeinträchtigten Berührungsdialog führt noch nicht automatisch zu einer Verbesserung des Befindens.
Deshalb sind die Verfahren der Körperpsychotherapie in aller Regel Langzeittherapien. Auch damit entsprechen sie dem Stand der aktuellen Psychotherapieforschung, die unter anderem zur Erkenntnis gekommen ist, dass die Rückfallquote von kürzeren Therapien enorm hoch ist.


Eine Körperorientierte Psychotherapie ist also besonders dann geeignet, wenn Betroffene mit rein sprachlichen Methoden nicht weiterkommen. Wenn das Gefühl vorherrscht, mit dem eigenen Körper nicht zurechtzukommen. Wenn es keine Wahrnehmung der Körpersignale gibt oder diese nicht verwertbar erscheinen. KPT kann die Verbindungen zwischen Empfindungen, Gefühlen und Bewusstsein unterstützten und die biografischen Erfahrungen zu einer stimmigen Geschichte des Selbst integrieren.

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