Die Reaktionen auf die Berichterstattung zum Klimawandel reichen von blanker Verleugnung über milde Besorgnis bis zur Theorie der nahen Apokalypse. Angenommen, dass die meisten Mitmenschen dazu in der Lage sind rational zu denken, mag das überraschend erscheinen. Die Daten des sog. Klimawandels belegen ja einen objektiv ablaufenden physikalischen Prozess – sie sind so real wie die Schwerkraft oder die Lichtgeschwindigkeit, wie Tag und Nacht.
Natürlich bedeuten diese Daten etwas anderes als Schwerkraft oder Lichtgeschwindigkeit. Was genau sie bedeuten, darüber sind sich sogar die Klima-Wissenschaftler*innen nicht alle einig. Auch in der Gemeinde der Klimatolog*innen gibt es eine Normalverteilung (Glockenkurve). Am einen Ende werden die Folgen als nicht so gravierend eingeschätzt, am anderen Ende als sehr gravierend und dazwischen werden gravierende Folgen als wahrscheinlich angesehen.
Es geht bei den klimatischen Veränderungen um Zukunftsvorhersagen, bzw. um Einschätzungen der messbaren Trends – gehen sie linear weiter? Beschleunigen sich die Trends? Wird es Sprünge oder Stufen geben? Das lässt sich nur in Wahrscheinlichkeiten ausdrücken, die immer wieder mit der Realität abgeglichen werden müssen.
Eine Tatsache ist, dass nahezu alle Medien inzwischen fast täglich von den Veränderungen berichten. Was macht das mit uns Leser*innen, Hörer*innen, Seher*innen? Ein Unterton an Bedrohung lässt sich kaum aus den Berichterstattungen herausfiltern. Dass diese Bedrohungslage eine gewisse Unausweichlichkeit mit sich bringt (explizit oder implizit), bringt den Klimawandel in assoziative Nähe zum Tod. Und dass diese Sterblichkeit, die am gründlichsten verdrängte Wahrheit von allen ist, ist schon fast eine psychologische Binsenweisheit.
Umgang mit dem Unausweichlichen
Das berühmte Phasenmodell zum Umgang mit dem Tod von Elisabeth Kübler-Ross bietet sich damit auch als Betrachtung für den Umgang mit dem Klimawandel an. Die erste Phase besteht darin, das Unausweichliche nicht wahrhaben zu wollen. Es wird einfach nicht geglaubt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – das gibt es doch nicht! Das kann doch nicht wahr sein! Diese Reaktion findet sich ausgiebig in Internetforen, aber mitunter auch in politischen Positionen.
Die zweite Phase besteht in Ärger und Zorn. Verdammt nochmal, wer hat denn diese Sch*** bloß angerichtet. Die Suche nach Verursachern, Schuldigen und/oder Sündenböcken nimmt Fahrt auf. Das können wahlweise Politiker, Firmen oder auch Mitmenschen sein.
Die dritte Phase besteht im Verhandeln. Also es gibt doch wohl noch eine Möglichkeit das aufzuhalten, eine Möglichkeit, dass es nicht ganz so schlimm wird. Wenn wir vielleicht weniger fliegen und uns veganer ernähren, dann wird noch alles gut. Oder vielleicht liegt das ja nur an Messfehlern, oder diese Ganze Clique von Wissenschaftlern ist eh von irgendjemandem gekauft und es ist alles gar nicht wahr.
Die vierte Phase geht nun in die Depression über. Die Ohnmacht wird gegenwärtig – es gibt keine Handlungsoption mehr, alles ist sinnlos, der Einsatz ist verspielt. Solcherart Betroffene posten nicht einmal mehr auf Facebook oder Instagram – sie wenden sich wohl eher dem Alkohol oder anderen Drogen zu.
Als fünfte Phase beschreibt Kübler-Ross die Zustimmung. Sie bringt den Betroffenen Frieden. Ja es ist so und ich kann nichts anderes tun, als mich der Veränderung hinzugeben. Der Mensch wird wieder handlungsfähig. Pragmatisch und hilfsbereit ist es jetzt möglich, wieder am Leben teilzuhaben, solange es eben noch geht.
Die Musiktherapeutin, Psychologin und Theologin Monika Renz hat bei ihren Forschungen noch eine weitere Phase gefunden und etwa so formuliert: Die Wandlung und spirituelle Öffnung. In der Hingabe an das Unausweichliche mag ein Kontakt mit dem überpersönlichen „Sein“ gelingen, dass dem Leben noch einmal einen tieferen Sinn zu geben vermag.
Aktuelle Abwehr Trends
Aus der soziologischen Perspektive werden zwei Arten von Verleugnung (psychische Abwehr) beschrieben. – eine interpretative und eine implikative.
Eine interpretative Abwehr beschreibt die Strategie, zwar die Umstände anzuerkennen, aber sich noch mit hoffnungsvollen Zeichen zu beruhigen – Z.B.: „Der CO2 Gehalt in der Atmosphäre steigt zwar, aber es werden ja auch jede Menge Windräder gebaut.“
Mit implikativ ist gemeint, dass die Schwierigkeiten, die mit der Entwicklung verbunden sind zwar klar gesehen werden, dass daraus aber Aktivitäten entstehen, die weder geeignet sind die Entwicklung aufzuhalten, noch mit den zukünftigen Schwierigkeiten umzugehen – Z.B. Petitionen unterzeichnen, Flyer verteilen, in Sozialen Medien posten usw.
Psychotherapie und Klimaängste
Es scheint, als würden die Ängste zu diesem Thema tatsächlich zunehmen. Vor allem Kinder und Jugendliche fühlen sich von der Entwicklung bedroht, aber auch Erwachsene leiden direkt oder indirekt (über ihre betroffenen Kinder) unter der Situation. Die Themen der Betroffenen lassen sich mühelos der Liste von Kübler-Ross zuordnen – Ohnmacht, Ängste, Zorn, Grübelei, Trauer und Depression.
Was kann Psychotherapie hier anbieten? Ist sie überhaupt in der Lage, angemessen mit diesen Symptomen umzugehen? Schließlich geht es nicht um biografische, systemische oder strukturell bedingte Befindlichkeiten, sondern um die Konfrontation mit realen Fakten. Man könnte sagen, dass diese Befindlichkeiten gesunde (zumindest aber normale) Reaktionen auf eine kranke Umweltentwicklung sind.
Eine Faustregel in der PT ist, dass die Anerkenntnis der Wahrheit zwar oft schmerzhaft ist, aber letztlich der einzige Weg dahin, einen gewissen Frieden zu finden und wieder handlungsfähig zu werden.
Die Integration der Gefühle mag aus biografischen Gründen erschwert sein. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, kann eine PT dabei unterstützen, die Integration zu erleichtern. Allerdings sollte der/die Psychotherapeut*in sich Rechenschaft darüber ablegen, wie er/sie selbst mit der Herausforderung von Gegenwart und Zukunft umgeht, damit die Verleugnung nicht einfach weitergeht.