Die Psychosomatik enttarnt „Neuromythen“

Neuroforschung und Bildgebung

Bericht vom Dienstagskolloquium „Körper – Seele – Geist“ vom 22.01.19  von Felix Hasler: „Neuromythologie“

Willkommen im Neurozeitalter

Herr Hasler beginnt seinen Vortrag mit der Behauptung, dass wir uns nicht mehr nur im „Neurozeitalter“ befinden, sondern zu „Neuroessenzialisten“ geworden sind. Begriffe wie: „Cerebral subjects“, „Homo cerebralis“ oder „Neurochemical selves“ stehen dafür ein. Buchtitel mit dem „Brain“, bzw. „Gehirn“ im Titel überfluten den Buchmarkt und erläutern uns das „Weibliche Gehirn“, den „Gehirn Sex“, das „Gehirn basierte Lernen“ u.v.m.
Alle diese Veröffentlichungen spielen mit der Vorstellung, dass durch Abbildungen der Biomasse im Schädel, das Verhalten des Schädelbesitzers vorhergesagt werden könnte. Tatsächlich gibt es inzwischen Lehrstühle für „Neuro-Psychoanalyse“ und „Neuro-Forensik“. Hinter den Veröffentlichungen und Aktivitäten steht die Autorität strenger Wissenschaftlichkeit, das Versprechen durch Neurowissenschaft das Wesen des Menschen ergründen zu können.
Als Beispiel zitiert Herr Hasler aus einem Buch über Neuro-Didaktik. Die Passagen enthüllen nichts Neues über das Lehren und Lernen, als schon z.B. Johann Pestalozzi wusste. Aber das schadet dem Neuroenthusiasmus nicht weiter. Die Vorsilbe „Neuro-“ lässt sich vor jegliche Wissenschaftsdisziplin stellen und suggeriert dann Wissenschaft auf dem neuesten Stand der Technik.

Das neue Zeitalter ist schön bunt

Die Vorzeigetechnik der Neurowissenschaft sind die bildgebenden Verfahren (fMRE, PET, MRT). Sie garantieren die wunderbar bunten Bilder, die suggerieren, dass der Betrachter dem Gehirn beim Denke zusehen kann. Das ist allerdings eine Illusion. Die Bilder entstehen durch statistische Rechenverfahren, die bestimmten Veränderungen, z.B. der Durchblutung, einen Zahlen-, bzw. Farbwert zuordnen. Der Wissenschaftler muss sich an zahlreichen Stellen dafür entscheiden, welchen Rechenweg er einschlägt, aber jeder Rechenweg führt zu einem anderen Bild. Daher rührt auch der Effekt, dass sich kaum eine bildgebende Studie replizieren lassen kann. Dies gilt insbesondere wenn höhere kognitive Funktionen wie moralische Entscheidungen oder Kunstgenuss erforscht werden sollen.
Als Beispiel präsentiert uns Herr Hasler eine Studie zur „romantischen Liebe“. Aus der Versuchsanordnung mit Bildern des geliebten Menschen und dazwischen gestreute neutrale Bildern entstehen dann Abbildungen, die insbesondere den ACC (Anteriorer Cingulärer Cortex) hell erleuchtet darstellen. Allerdings leuchtet der auch bei amerikanischen Wählern von Hillary Clinton, beim Genuss eines Schoko-Milchshakes oder wenn Vegetarier Bilder von Tierquälerei sehen usw. usf.

Geschichte und öffentliche Darstellung

Nun geht Herr Hasler ein wenig auf die Geschichte und die öffentliche Wahrnehmung des „Neuro-Imaging“ ein. Um die Jahrtausendwende waren zahlreiche Forscher geradezu euphorisch, was die Möglichkeiten der neuen Verfahren anging. Zahlreiche Zeitschriften präsentierten Bilder aus verschiedenen Studien, die angeblich belegen sollten, wie die Gehirne bei Schizophrenie oder Depression im PET aussehen.
Führende Wissenschaftler schwärmten kurz nach der Jahrhundertwende von den neuen Möglichkeiten. Aber nach nur zehn Jahren war die Euphorie verflogen. Weder wurde ein neues Verständnis von Krankheitsentstehung und –Verlauf gewonnen, noch wurden neue Medikamente entdeckt.
Dennoch hatte dieser Hype Auswirkungen auf die Psychiatrie selbst. Seither dominiert ein blinder Materialismus, für den eine Depression nur noch eine Transmitterstörung darstellt. Alle diagnostischen und therapeutischen Zugänge sollen über neuronale, bzw. genetische Faktoren validiert werden. Ungeheure Geldmittel wurden (und werden) für dieses Ziel aufgewendet. Der wahre Preis dafür ist aber die Vernachlässigung von Beziehungen (siehe Beitrag von letzter Woche).
In einer Zeitschrift mit dem Namen „Molecular Psychiatry“ finden sich dann solche wunderbaren Befunde wie: „mTORC1-abhängige Translation von Collapsin antwortet auf das Mediator Protein-2, das unterstützt neuronale Adaptionen, die exzessiven Alkoholkonsum unterstützen.“ „Molecular Psychiatry“ war jahrelang die meistgelesene Fachzeitschrift (!).

Die Rolle der Pharmahersteller

Nun kommt Herr Hasler noch auf die Rolle der Pharmaindustrie zu sprechen. Bemerkenswerterweise übertrifft in den USA die Zahl der Psychopharmaka Nutzer inzwischen die der Raucher. Die Pharmaindustrie hat ein Interesse an bildgebenden Verfahren, da sie eben suggerieren, dass da ein „Defekt“ vorhanden sei, der mit Pharmazeutika beseitigt werden können. Eine Art Analogie z.B. zu Diabetes.
Gleichzeitig stellt die Pharmaindustrie die Produktion zahlreicher Medikamente ein und ebenso die Forschung für neue Produkte. Tatsächlich sind alle (!) geläufigen Psychopharmaka Zufallsfunde. Ihre Wirkung ist alles andere als krankheitsspezifisch. Die heute vermittelte Spezifität wurde allein dadurch erreicht, dass Krankheiten neue Benennungen erhalten haben. „Wenn man kein Medikament für eine Krankheit findet, kann man ja eine Krankheit für ein Medikament erfinden.“

Weitere Probleme des Neuroimaging

Herr Hasler nähert sich dem Ende seines Vortrags und präsentiert eine Meta-Analyse von Meta-Analysen zu Unipolarer Depression. Diese kommt zum Befund, dass keinerlei (!) replizierbare Effekte in den Studien zu finden sind. Zwischen somatischer Erkrankung und psychiatrischen Diagnosen scheint ein qualitativer Abgrund zu liegen. Die Psychiatrie steht so vor der Frage, ob sie ihre (willkürlichen) Diagnosen aufgeben will oder das Gehirn. Offenbar hat sie sich zum Ersteren entschlossen und beginnt gigantische Listen/Tabellen zu erstellen, in denen alle möglichen Transmitter, synaptische Aktivitäten, Hormone etc. aufgezählt sind.

Was ist normal?

Einige weitere Probleme der Psychodiagnostik liegen in den Schlussfolgerungen, die aus der Tierforschung auf den Menschen übertragen werden. Ebenso die biologische Variabilität von Lebewesen, denn in jeder untersuchten Gruppe finden sich Abweichungen von einer Norm. Wie üblich gibt es nur „Glockenkurven“, bei denen bestimmte Bereiche als pathologisch definiert werden. Wie weit das gehen kann demonstriert uns Herr Hasler mit Röntgenaufnahmen eines Kindes, dem eine Hirnhälfte entfernt werden musste, das aber keinerlei Auffälligkeiten zeigt (Neuroplastizität). Eine weitere Aufnahme ist ein Zufallsbefund. Sie zeigt den Schädel eines Angestellten, dessen Schädel tatsächlich so gut wie leer ist. Auch er zeigt keinerlei Auffälligkeiten. Noch ein weiteres Problem besteht darin, dass mit jeder neuen Entdeckung/Darstellung die Komplexität des Geschehens noch größer wird.
Aber unverdrossen verfolgen führende Psychiater weiterhin den Weg der materialistischen Diagnose und Therapie. Weiterhin werden Unsummen für solche Projekte mobilisiert (z.B. das Human Brain Project).

Ausblick

Herr Hasler stellt fest: Ein Gehirn kann nicht depressiv sein, es sind Menschen die an einer Depression leiden. Die akademische Psychiatrie hat ein Eigenleben entwickelt, das sie von den Patienten mehr und mehr entfernt. Er fordert ein Zurück zu den sozialen Modellen von Pathogenese und Therapie.
Die Zukunft der Psychiatrie sieht er als digital und nicht neurologisch – es geht um Telepsychiatrie, Apps, Videokonferenzen. Die Patient-Therapeut-Beziehung muss sich wieder ändern. Es braucht mobile Kriseninterventionsteams, statt stationären Behandlungen, Dialog-basierte Programme und einen neuen Pragmatismus: Was hilft wirklich in der Praxis?

Die Psychosomatik entdeckt das echte Gespräch

Gespräche können heilen

Bericht vom Psychosomatischen Dienstags-Kolloquiums „Körper – Seele – Geist“ der Psychosomatischen Klinik Freiburg vom 15.01.19  von: Giovanni Maio Prof. Dr. med. M.A., Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg:          „Das echte Gespräch als Grundlage allen Heilens“

In einem völlig überfüllten Audi Max beginnt Herr Maio seinen Vortrag mit der Feststellung, dass das Gespräch die Grundlage allen medizinischen Handelns ist. Das Gespräch sei natürlich nicht alles, aber ohne Gespräch sei eben alles nichts. Warum ist das so? Was macht das Gespräch so wichtig? Es steht im Zentrum aller hilfsbedürftigen Menschen, die sich an Vertreter der Medizin – Ärzte, Schwestern, Pfleger etc. – wenden. Ein Gespräch ist keine Diskussion, kein Gerede, keine Unterhaltung. Aber was macht ein Gespräch zu einem Gespräch? Worauf kommt es an. Herr Maio möchte dies in fünf Punkten erläutern.

Was ist ein Gespräch?

1. Ein Gespräch ist Verständigung

Der Wunsch verstanden zu werden trifft auf die Bereitschaft, verstehen zu wollen. Verstehen wollen ist die Haltung, den Anspruch des anderen zu vernehmen. Der Andere erfährt Anerkennung als Anderer, der noch unbekannt ist. Durch Ansprechbarkeit öffnet sich der Raum des Gesprächs für Unvorhersehbares, Überraschungen können auftreten, denn ein echtes Gespräch ist die Produktion von etwas Neuem.

2. Ein Gespräch ist Antwort geben

Es ist eine Antwort für den Anderen, es gibt keinen festen Plan dafür. Gespräche sind eine „responsive Arbeit“. So gesehen sind medizinische Berufe antwortende Berufe. Sie antworten auf den Appell, den der Kranke alleine durch seinen Zustand äußert. Die Antwort ist eine Verantwortung. Es besteht ein inneres Verlangen dem Patienten gerecht zu werden – aufgerufen zu sein. Es ist fatal, wenn dafür keine Zeit vorhanden ist. Das Gespräch selbst ist die Antwort für den Patienten – nicht seine Frage, sondern der Fragende selbst.

3. Ein Gespräch ist ein Ereignis

Ein Gespräch kennt keinen festen Ablauf, es ist ein lebendiges Ereignis. Gespräch sind ungewiss und unvorhersehbar, denn was darin geschieht ist gewissermaßen ein dialogisches Ausgeliefert-Sein. Die Interaktion zwischen zwei Menschen erzeugt eine Eigendynamik, deren Eigenleben einen eigengesetzlichen Verlauf nimmt. Die Begegnung öffnet einen Raum, in dem der „Geist des Gesprächs“ sich entfalten kann. Es ist ein unerzwingbares Ereignis, das von Seiten der Helfer mit behutsamen Entgegenkommen begünstigt werden kann.

4. Ein Gespräch ist Wechselseitigkeit

In einem Gespräch herrscht die Freiheit des Wortes. Es gibt darin keine Abhängigkeiten sondern es beruht auf Gegenseitigkeit. Keiner kann das letzte Wort haben. Im Gespräch ergeben sich nicht objektivierbare Befunde. Diese sind zwar ebenfalls wichtig und fordern auch Anerkennung, aber erst das bedeutsame Gespräch vervollständigt die Situation. Denn in ihm erfahren wir etwas vom Lebensweg und der Geschichte des Kranken, etwas von seiner Situation und von seinen Erwartungen. Dazu braucht es die Begegnung auf Augenhöhe. Auch der Mediziner kann von jedem Patienten noch etwas lernen, wenn er bereit ist, sich ansprechen zu lassen. Das Zustandekommen eines Gespräch ist wie das „gemeinsame Anstimmen eines Lieds“.

5. Ein Gespräch ist ein Erlebnis

In einem echten Gespräch werden nicht Fakten rekapituliert. Es ist eine Erfahrung, die Spuren hinterlässt. Die Beteiligten nehmen etwas davon mit, bewahren etwas auf. Der Prozess der Teilhabe schafft persönliche Beteiligung und Bindung.

Was bedeutet ein Gespräch?

Wie sieht es nun mit der Bedeutung des Gesprächs aus? Auch dazu präsentiert uns Herr Maio fünf Punkte.

1. Das Gespräch hält die menschliche Vielschichtigkeit offen

Die objektiven Befunde eines Kranken betreffen nur eine Schicht. Der Mensch ist aber eine Person, die Ambivalenzen und Brüche kennt, widersprüchlich denkt und handelt und immer im Fluss ist. Tatsachen. Befunde und Diagnosen werden  einer Person niemals gerecht. Für eine Person bedarf es einer „Restauration der Besonderheit“.

2. Das Gespräch entfaltet eine verpflichtende Kraft

Im echten Gespräch nehmen sich die Sprechenden beim Wort. Gesagt ist gesagt und damit wird etwas versprochen. Die Personen stehen zu ihren Worten. Anders als im Klinikalltag, der die unpersönliche Ansprache kennt, übernehmen Gesprächsteilnehmer Verantwortung für das Gesagte. Dies kann Ängste lösen, und das Gefühl von getragen-sein begünstigen. Eine solche Begegnung ist kein Vertrag, denn sie ist persönlich und unvorhersehbar. Ein Gespräch kann nicht in einen Algorithmus verwandelt werden, denn es findet immer neu im Hier und Jetzt statt. So können zwei Patienten mit demselben Befund in völlig verschiedenen Situationen sein. Nur in der Gesprächssituation kann sich der Patient als Individuum gewürdigt finden.

3. Das Gespräch ist ein Gemeinschaftserleben

Es ist ein gemeinsames Produkt. In der „zwischenleiblichen“ Begegnung entsteht eine Gemeinsamkeit durch die Suche nach Verständigung, so dass Verständnis und Gemeinsamkeit miteinander entstehen. Füreinander und Miteinander erleben die Partner „Stimmigkeit“ und Resonanz. Dies kann zu Erneuerung führen.

4. Das Gespräch stiftet Eigengesetzlichkeit

Tatsachen werden im Gespräch verwandelt, sie erhalten eine neue Gestalt und werden aus anderen Perspektiven wahrgenommen. Vage Gefühle und Stimmungen verdichten sich darin. Durch die Auswahl aus allen Möglichkeiten, was gesagt werden könnte, entsteht etwas Neues, so wird es möglich, sich selbst anders zu betrachten.

5. Das Gespräch ermöglicht Transformation

Das gegenseitige Anerkennungsverhältnis begünstigt Verwandlungen. Es fördert die Selbstachtung, lässt einen die eigene Wichtigkeit erleben. Wie auf einem Podest erfährt der Patient eine Aufwertung durch Zuwendung. So kann ein Gespräch erleichtern, entlasten und reinigen. Es kann versöhnen, indem es den Konflikt in der Sprache aufbewahrt. Ein solches Gespräch kann Übereinstimmungen erzeugen und Gegensätze versöhnen. Es kann dabei helfen, die Fremdheit des Krank-Seins zu überwinden und es kann eine „Brücke über den reißenden Strom der Andersheit“ bauen. Ein echtes Gespräch führt zu Zuversicht und Zutrauen.

Fazit

Zum Abschluss stellt Herr Maio noch die Frage, was das nun für die Medizin bedeutet.
Er beklagt die Bürokratisierung und den Effizienzwahn, der die Medizin befallen hat. Auch dass die notwendige Zeit für Gespräche als dysfunktional angesehen wird kann ihm nicht gefallen. Gespräche lassen sich nicht einplanen. Sie brauchen ihre Eigenzeit, die ihnen mehr und mehr verwehrt wird. Die zunehmende reine Zweckrationalität in der Medizin, macht Gespräche, bei allem technischen Fortschritt, eher schlechter. Gespräche sind nicht im eigentlichen Sinn Handlungen oder Aktionen. Solche verhindern eher, dass ein Gespräch geführt werden kann. Gespräche finden in einer ausgezeichneten Zeit des Nicht-Handelns statt. Die Betriebsamkeit ist außer Kraft gesetzt. Das Gespräch schwebt über dem Pragmatischen – es ist beruhigend, hält die Zeit an, bietet Sammlung, Ruhe und Muse. Das erfordert Geduld und Respekt, die Loslösung von der Ich-Perspektive und eine unaufdringliche Demut. Gespräche sind ein Wert an sich, der in der Medizin wieder aufgewertet werden müsste.

Die Psychosomatik entdeckt den Clown

Der Clown in Kultur und Psyche

Bericht vom Psychosomatischen Dienstags-Kolloquium „Körper – Seele – Geist“ der Psychosomatischen Klinik Freiburg vom 10.01.19
„Sind wir alle Clowns?“ von Richard Weihe Prof. Dr. habil., Accademia Teatro Dimitri, Verscio/CH, mit Wilson Raúl Vargas Torres, Berlin/Tromsø

Schon in der Anmoderation taucht die Frage auf, was denn der Clown mit dem Thema der Vortragsreihe zu tun haben könnte. Bekannt ist natürlich, dass Humor heilsam wirkt – die Klinik Clowns legen davon Zeugnis ab – aber wir mussten warten, was uns Herr Weihe darüber sagen möchte.

Kulturgeschichte des Clowns

Der Vortrag beginnt mit einer kleinen Kulturgeschichte des Clowns. Vom Wortstamm her bedeutet „Clown“ so viel wie ein dümmlicher, bäurischer, ungeschickter Mensch, der keine Manieren kennt. Erst mit Shakespeare bekam der Clown eine Rolle. Auf der Bühne war er für Witze und Humor, Komik und Narretei zuständig. Damit wurde der Unterschied vom „natürlichen Clown“ zum „künstlichen Clown“ etabliert.
Erst um ca. 1800 tauchte der heutzutage bekannte Clown zum ersten Mal auf. Er entstand aus der Harlekin Figur der Commedia del Arte. Es dauerte noch einmal fast hundert Jahre bist der erste „Dumme August“ aus Versehen (man könnte sagen aus Schusseligkeit) erfunden wurde. Die letzte Neuerung stellt der „Grusel Clown“ dar – 1980 war der Clown „Pennywise“ im Film „Es“ zu sehen und zu fürchten.
Zu den klassischen Bezeichnungen „Weißer Clown“ mit Kegelhut und immer besserwisserisch, dem „Roten Clown“ mit roter Nase und großen Schuhen, benennt Herr Weihe nun auch noch den „Schwarzen Clown“, eben jene Horror Clowns, die nun in der Kultur herumgeistern.
Der Weiße Clown steht für das Rationale des Menschen, für das was man tun soll und was sich gehört. Der Rote Clown, so Herr Weihe, steht für die eher chaotische Triebseite und für den professionellen Umgang mit Scheitern.

Die Kunst des Clowns

Wie funktioniert die Clownerie? Wie schaffen es Clowns, ihren Auftrag – die Zuschauer zum Lachen zu bringen – zu erfüllen? Zunächst einmal geht es um „die kleinste Maske der Welt“ – die rote Nase. Sie schafft ein Spannungsverhältnis zwischen der Figur des Clowns und dem Menschen, der diese Rolle spielt. Jederzeit wissen die Zuschauer, dass sich hinter der Maske ein Mensch verbirgt. Diese doppelte Identität ist die Grundlage für die Gegensätze, die ein Clown auf die Bühne bringt.

Herr Weihe hat sieben verschiedene Clownsspiele identifiziert, die uns seine Ex-Schüler Wilson Torres demonstriert.
1. Körperspiel – der tollpatschige Clown, der stolpert und stürzt erfordert vom Menschen hinter der Maske akrobatisches Können.
2. Sprechspiel – der stammelnde, um Worte ringende Clown erfordert eine große Sprach- und Stimmbeherrschung des Spielers
3. Generationsspiel – das kindlich, alberne Gehabe des Clowns wird von einem erwachsenen Menschen dargeboten
4. Ausbruchsspiel – die ganze Palette dramatischer Gefühlsausbrüche wird willkürlich und technisch vom Spieler produziert
5. Invasionsspiel – das Überschreiten persönlicher Grenzen – Verwuscheln von Haaren etwa – wird von einem zivilisierten Spieler ausgeführt
6. Genderspiel – die Verwandlung des Geschlechts wird durch Kleidung und Gestik spielerisch dargestellt
7. Sittlichkeitsspiel – der Clown verstößt immer wieder gegen die Vorstellungen von Anstand und Sitte, obwohl er sie genau kennt und als Bürger auch einhält.

Viele Clowns erstreben die Verschmelzung von Rolle und Person, möchten den Clown und den Menschen dahinter verschmelzen. Der Schweizer Clown Dimitri hat es sogar geschafft, seinen Künstlernamen (der auch sein Vorname war) zu seinem Nachnamen ändern zu lassen.

Was hat der Clown mit mir zu tun?

Dann führt uns Herr Weihe eine Röntgenaufnahme vor, die einen Menschen mit kegelförmigem Hinterkopf (Weißer Clown), einer kugelrunden Nase (Roter Clown) und kräftigen Kieferknochen (Schwarzer Clown) zeigt. Der Clown ist kein Homo Sapiens sondern eher eine Homo Inscitus (unverständig). Aus dieser Sicht fragt der Vortragende noch einmal: „Sind wir alle Clowns?“ Und bejaht dies, unter der Voraussetzung, dass wir erkennen, dass wir es alle einmal waren. Und: „Nicht der Clown ist der Doofe, sondern der Mensch.“

Damit kommt Herr Weihe zum Schluss seines Vortrags. Er verwendet dazu die „kinetische Signatur“ des Clowns, das Stolpern. Menschen stolpern und sie stolpern unter anderem deshalb, weil sie in zwei Arten von Tempo unterwegs sind. Das Tempo des technischen Fortschritts, der Fortschritt der Menschheit (Weißer Clown), das für den Einzelnen oft zu schnell wird. Er hat die zu großen Schuhe des Roten Clowns an den Füßen und kommt nicht mit. Er stolpert und holt sich dabei die blutig, rote Nase.

Fazit

Zu den Schlussfolgerungen, was diese Einsichten mit „Körper – Seele – Geist“ zu tun haben schweigt sich Herr Weihe aus. Ich kann hier also nur meine eigenen Gedanken anbieten.
Der Clown ist ein Spiegel des Menschen, insofern er uns das zeigen kann, was wir an uns nicht mögen, unser Scheitern, unser Unverständnis und unsere Begrenztheit.
Der Clown bietet uns an dieser Stelle eine Versöhnung mit diesen ungeliebten Eigenschaften an. Die Möglichkeit, über uns selbst zu lachen (ein Merkmal übrigens, das für Victor Frankl den Menschen überhaupt erst ausmacht).
Der Clown ist eine „Landkarte“ des Inneren des Menschen. Die Über-Ich Figur des Weißen Clowns versucht mit Strenge die Es-Figur des schusseligen Roten Clowns zum richtigen Verhalten zu erziehen, und scheitert regelmäßig damit. Für mich eine Aufforderung, nicht allzu streng mit sich selbst zu sein, sich das Recht zu nehmen, Regeln selbst zu überprüfen und Spaß und Neugier nicht zu kurz kommen zu lassen. (Denn bei zu viel Frust bekommt womöglich der Schwarze Clown seinen Auftritt).
Der Clown weist uns auf die Widersprüchlichkeiten des Lebens hin, und dass diese Widersprüche sich auch immer wieder miteinander versöhnen, und ineinander übergehen können. Albernheit kann in Ernst umschlagen, Schnelligkeit in Langsamkeit, Grenzen sind variabel u.v.m. Widersprüche sind also keine Gegensätze, die sich ausschließen sondern zwei Pole, die einander ergänzen und erst gemeinsam ein stimmiges Bild ergeben.

Psychotherapie für Freiberufler und Studenten

Für wen kann es sinnvoll sein, seine Psychotherapie selbst zu bezahlen? Freiberufler*innen und Selbstständige unterliegen oft besonderen beruflichen Belastungen. Zeitaufwand und Einsatz lassen sich nicht gut planen und der Beruf dringt mitunter tief in die Privatsphäre ein. Diese Belastung kann, besonders bei Rückschlägen oder ausbleibendem Erfolg, zu schwierigen Gemütslagen führen, die sich evtl. zu einer depressiven Verstimmung vertiefen.
Alle Statistiken weisen darauf hin, dass Depressionen, das Burn-out Syndrom und andere psychische Erkrankungen ein ständig anwachsendes Phänomen darstellen. Dadurch ist die Grundversorgung durch Psychotherapeut*innen in einigen städtischen Räumen nur noch notdürftig und z. T. nur mit erheblichen Wartezeiten gewährleistet.

Privat versichert – ein Vorteil?


Selbstständige und Freiberufler*innen sind häufig privat krankenversichert. Das heißt zunächst, dass sie es leichter haben, einen freien Therapieplatz zu bekommen. Was allerdings die wenigsten wissen, ist, dass damit auch ein gewisses Zukunftsrisiko verbunden ist. Dieses besteht darin, dass sie bei einem Kassenwechsel entweder von der neuen Kasse gar nicht mehr aufgenommen werden oder einen erheblichen Risikozuschlag dafür bezahlen müssten. Eine kassenbezahlte Psychotherapie ist in der Krankenakte niedergelegt.
Es erscheint ein wenig verrückt – Menschen, die sich um ihre Gesundheit kümmern, werden von den Krankenkassen dafür bestraft! Auch wenn erwiesen ist, dass Menschen, die erfolgreich eine Psychotherapie abgeschlossen haben, eine messbar gesündere und zufriedenere Zukunft vor sich haben.

Diese Problematik kann natürlich auch Student*innen betreffen, für die noch ein weiteres Risiko problematisch werden kann. Falls sie nämlich eine Beamt*innen Laufbahn einschlagen möchten, habe sie nach einer „Kassentherapie“ damit evtl. Probleme.

Psychotherapie als Makel

Die Entscheidung, sich auf eine Psychotherapie einzulassen, fällt wohl den wenigsten Menschen leicht. Immer noch sind seelische Erkrankungen mit zahlreichen Vorurteilen und Ängsten belastet. Viele Betroffene versuchen es ohne Therapie und riskieren dabei Zusatzbelastungen wie Alkohol-, Sport-, Spiel- Sex- oder Medikamentensucht. Das Leiden vertieft sich und der Weg in eine Therapie erscheint immer schwieriger. Die allerwenigsten psychischen Erkrankungen erledigen sich aber von selbst.
Wenn sich ein Mensch nach vielen inneren Kämpfen dann doch zu einer Therapie entschließt, sucht er/sie natürlich zunächst die dafür zuständigen Institutionen auf – Ärzt*innen, Kliniken, Psychiater*innen, Psychologische Psychotherapeut*innen. Hier wissen wenige Betroffene, dass es auch alternative Angebote gibt. Es gibt zahlreiche hochprofessionelle Psychotherapeut*innen, die auch in Berufsorganisationen gelistet sind, die aber keine Kassenzulassung besitzen.

Wer macht Psychotherapie ohne Kassenzulassung?

Der Grund dafür ist das deutsche Psychotherapiegesetz, das nur ganz bestimmte Methoden als wissenschaftlich anerkennt, für die die Kassen auch bereit sind zu bezahlen. Die wissenschaftliche Anerkennung endet an der Landesgrenze und zahlreiche Methoden sind in anderen Ländern durchaus wissenschaftlich anerkannt und besitzen dort sogar eine Kassenzulassung.
Ebenfalls wenig bekannt ist der Umstand, dass Psychotherapien unabhängig vom angewandten Verfahren wirksam sind. Es gibt nach dem derzeitigen Stand der Psychotherapieforschung keine messbaren Unterschiede zwischen kassenanerkannten und nicht anerkannten Therapiemethoden.
Es sprechen also gute Gründe dafür, eine selbst bezahlte Psychotherapie in Erwägung zu ziehen.


• Die Wartezeit auf einen Therapieplatz ist in der Regel kurz
• Die Auswahl an möglichen Therapeut*innen ist sehr viel größer
• Die Behandlung wird nicht in die offizielle Krankengeschichte aufgenommen

Wie gesagt, die Qualität der Therapie ist gleichwertig, falls der/die Therapeut*in Mitglied eines Fachverbandes ist, der auf geregelte und umfangreiche Ausbildung und Supervision achtet.
Der finanzielle Aufwand einer PT ist nicht unerheblich, aber auf keinen Fall unermesslich. Eine gelungene Psychotherapie ist ihr Geld unbedingt wert, denn wenn die Seele leidet, ist das Leben allzu schwer.

Ein Körper in der Psychotherapie?

Körperorientierte Psychotherapie kann auf eine recht lange Geschichte zurückblicken. In ihrer modernen Form schlug sie als „Seitentrieb“ der Psychoanalyse aus. Dies geschah bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Von da an verzweigte sie sich dann rasch in verschiedene Seitenäste, die großteils noch heute Bestand haben.

Die wilden Anfangsjahre

In den wilden Achtundsechzigern erfreuten sich die energetischen Übungen und die Betonung des emotionalen Ausdrucks besonders großer Beliebtheit. Dies richtete sich auch und gerade gegen die als patriarchal und autoritär angesehene Psychoanalyse.Danach beruhigte sich die „Körperszene“ etwas und etliche einzelne Schulen begannen sich als „quasi hermetische Verfahren“ gegeneinander abzugrenzen. Ein Umstand, der die ohnehin geringe Anerkennung durch den psychotherapeutischen Mainstream noch vertiefte.Die Hypothesen und Modelle der meisten Schulen beriefen sich auf klinische Erfahrungen, Einzelfallstudien und tiefenpsychologische Theorien. Diese wurden oft angereichert um energetische Vorstellungen aus der indischen Tradition. Das lag an der Energie Metapher, die mit der KPT kompatibel erschienen. Leider klang (und klingt) das einfach wenig seriös.

Neue Entwicklungen

Erst als gegen Ende des letzten Jahrhunderts aus den Einsichten, die aus der Baby- und Kleinkindforschung und der Bindungstheorie gewonnen wurden, als auch verschiedene neue neurologische Kenntnisse erreicht wurden, gewann die KPT wieder etwas mehr Renommee. Auch die verschiedenen Schulen hatten sich wieder einander zugewandt und tauschten sich mehr über ihre Erkenntnisse, Techniken und Prinzipien aus. In Deutschland gründete sich die „Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie“.

Ohne Körper keine Psyche


Was hat es nun auf sich mit dem Körper in der Psychotherapie? Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass wir so etwas wie psychisches Erleben ohne einen Körper gar nicht haben könnten. Die körperliche Existenz und deren reale biologischen Prozesse stellen die Grundlage von allen höheren Funktionen der Psyche dar. Das gilt gleichermaßen für die sog. normalen/gesunden bist zu den sog. kranken Erscheinungen.
Der ganze Prozess der psychischen Funktionen, einschließlich der „bewusst“ genannten, ist immer ein Dreiklang von körperlicher Organisation, emotionaler Bewertung und kognitiver Benennung. Man könnte auch sagen, dass, wenn zwischen diesen drei Aspekten ein Missklang entsteht, so etwas wie ein Symptom beobachtbar ist, bzw. erlebt wird.
Die Geschichte dieser psychischen Organisation ist die Biografie eines Menschen und zwar ab dem Beginn der körperlichen Existenz. Bereits im Mutterleib und noch mehr in der vorsprachlichen Zeit der Bindungsprägung sprießen die zarten Wurzeln dessen, was wir später psychisches Erleben nennen, die Grundlagen unseres Selbst- und Welterlebens. Das ist die Geschichte, die wir uns und anderen darüber erzählen, wer und wie wir sind. Auf diesen Grundlagen verläuft der Weg, der weiteren Entwicklungs- und Reifungsschritte bis zum Erwachsen-Sein.

Besondere Qualität der KPT


Es hat sich herausgestellt, dass zahlreiche Hypothesen der „älteren“ KPT zutreffend sind und sich heute empirisch gut belegen lassen.
Die ersten Stufen der psychischen Entwicklung sind vorsprachlich, aber in Handlungs- und Beziehungsroutinen durchaus noch erreichbar. Genau hier liegen die besonderen Möglichkeiten von körperorientierter Psychotherapie. Mit ihnen kann das Erleben und die Erfahrungen dieser Zeit erreicht werden und in der therapeutischen Beziehung, können neue Lernerfahrungen entstehen.
Dadurch wird die KPT nicht zur „Wundermethode“. Was sie zur Verfügung stellen kann, ist ein tiefes Verständnis der vorsprachlichen Entwicklungen. Diese sind häufig ein Anlass für spätere Störungen. Allerdings haben die Betroffenen bereits ihren Umgang damit gefunden und das alleinige Wissen um z.B. einen beeinträchtigten Berührungsdialog führt noch nicht automatisch zu einer Verbesserung des Befindens.
Deshalb sind die Verfahren der Körperpsychotherapie in aller Regel Langzeittherapien. Auch damit entsprechen sie dem Stand der aktuellen Psychotherapieforschung, die unter anderem zur Erkenntnis gekommen ist, dass die Rückfallquote von kürzeren Therapien enorm hoch ist.


Eine Körperorientierte Psychotherapie ist also besonders dann geeignet, wenn Betroffene mit rein sprachlichen Methoden nicht weiterkommen. Wenn das Gefühl vorherrscht, mit dem eigenen Körper nicht zurechtzukommen. Wenn es keine Wahrnehmung der Körpersignale gibt oder diese nicht verwertbar erscheinen. KPT kann die Verbindungen zwischen Empfindungen, Gefühlen und Bewusstsein unterstützten und die biografischen Erfahrungen zu einer stimmigen Geschichte des Selbst integrieren.

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